Priapismus ist nach dem griechischen Gott Priapus benannt, dem Gott der Fruchtbarkeit. Priapismus wird definiert als eine Erektion des Penis, welche länger als 2 Stunden anhält und ohne sexuelle Erregung besteht. Priapismus wird deswegen auch Dauererektion genannt. Es gibt zwei Formen des Priapismus zwischen denen unterschieden wird: Es gibt den Low-Flow-Typ und es gibt den High-Flow-Typ des Priapismus. Es handelt sich dabei um einen akuten urologischen Notfall, der sofortiger Behandlung bedarf, um dauerhafte Schäden der Schwellkörper zu verhindern.
Epidemiologie
Priapismus ist eine seltene Erkrankung. Die Häufigkeit liegt bei circa 1,5:100.000 Männern. Grundsätzlich kann ein Priapismus in jedem Alter auftreten. Es gibt jedoch zwei Erkrankungsgipfel:
- Gipfel: Dieser tritt im Alter von 5 bis 15 Jahren auf. Der Priapismus steht dann meist im Zusammenhang mit einer homozygoten Sichelzellenanämie.
- Gipel: Er tritt im Alter von 20 bis 50 Jahren auf. Der Priapismus steht dann meist im Zusammenhang mit einer SKAT – Therapie.
Abgrenzung zur normalen Erektion
Die normale Erektion des Penis kommt durch einen gesteigerten Zufluss und gehemmten Abfluss des Blutes in die Schwellkörper zustande. Ursache für die Versteifung ist eine sexuelle Vorstellung oder mechanische Reizung des Penis. Priapismus dagegen ist definiert als eine Erektion des Penis ohne sexuelle oder mechanische Reize.
Zudem sind bei einer normalen Erektion verschiedene Regionen von der veränderten Blutzufuhr betroffen. Beim Priapismus schwellen nur die beiden Schwellkörper an, während die Eichel schlaff bleibt. Dadurch kann der Mann Harn lassen, was bei einer normalen Erektion nicht möglich ist. Der Priapismus ist für den Betroffenen sehr schmerzhaft. Daher kann ein Priapismus nicht durch Geschlechtsverkehr zum Schwinden gebracht werden. Falls ein Versuch möglich ist kommt es weder zum Samenerguss, noch zum Erschlaffen des Penis.
Ursachen des Priapismus
Ein Priapismus kann durch verschiedene Ursachen hervorgerufen werden. Kausal kann der Priapismus in einen primären und einen sekundären Priapismus unterschieden werden.
Primärer Priapismus
Bei 30% bis 50% der auftretenden Fälle eines Priapismus kann die Ursache nicht geklärt werden. Diese Fälle werden als primärer oder idiopathischer Priapismus bezeichnet. 2008 konnten amerikanische Wissenschaftler allerdings einen interessanten Zusammenhang bei Mäusen entdecken. Diesen fehlte ein bestimmtes Enzym um Adenosin abzubauen, welches für die Erweiterung der Blutgefäße verantwortlich ist. Allerdings sind weitere Forschungen notwendig, um diese Verbindung auf den Menschen übertragen zu können.
Sekundärer Priapismus
Die Ursachen für die sekundäre Form des Priapismus sind vielfältig.
Medikamente und Drogen (20%)
Einige Psychopharmaka und andere Medikamente in Überdosierung können einen Priapismus auslösen. Auch Antidepressiva, Schmerzmittel, Antiepileptika und Antihypertensiva können zu einem Priapismus führen.
Der Missbrauch von Alkohol, Kokain oder Marihuana kann ebenfalls eine Ursache sein.
Erkrankungen des Blutes (circa 20%)
Bei der in unseren Breiten weniger oft auftretenden Sichelzellenanämie kann es zu einem Priapismus kommen. Außerdem können andere Erkrankungen des Blutes, wie Thalassämie, Hämophilie oder Thrombozytämie eine Ursache sein.
Tumorbedingter Priapismus
Metastasen können zu einer Kompression der Venen führen und damit die Blutzirkulation beeinflussen. Krebsarten, die einen Priapismus begünstigen, sind Leukämie, ein Nierenzellen- oder ein Prostatakarzinom.
Trauma
Ein stumpfes Trauma kann zu Verletzungen der Arterien führen. Eine Erektion kann die Verletzungen verstärken und damit den Einstrom von arteriellem Blut begünstigen. Wenn zu viel Blut einströmt, können die Arterien das Blut nicht mehr abtransportieren und es kommt zu einem Priapismus.
Stoffwechselerkrankungen
Mögliche Krankheiten sind Diabetes Mellitus oder Gicht. Sie können ebenfalls die Ursache für einen Priapismus darstellen.
Neurologische Ursachen
Bestimmte Schädigungen des Nervensystems können ebenfalls eine Ursache sein, die zu einem Priapismus führt. Derartige Schädigungen können durch eine Querschnittslähmung oder einen Bandscheibenvorfall hervorgerufen werden.
Toxine
Das Nervengift Alpha-Latrotoxin der Schwarzen Witwe oder anderer artverwandter Spinnen können einen Priapismus auslösen.
SKAT-Therapie
Bei einer SKAT-Therapie (auch Autoinjektionstherapie) wird der körpereigenen Botenstoff Alprostadil in den schlaffen Penis injiziert um eine Erektion zu bewirken. Durch Alprostadil erschlafft die Muskulatur der Arterien, weshalb mehr Blut in die Schwellkörper fließen kann. Dies kann ebenfalls eine Ursache für einen Priapismus sein.
Formen des Priapismus
Es gibt zwei Formen des Priapismus: den Low-Flow-Typ und den High-Flow-Typ.
Low-Flow-Typ oder ischämischer Priapismus
Die meisten Fälle (etwa 90&) des Priapismus sind dem Low-Flow-Typ zuzuordnen. Es wird immer dann davon gesprochen, wenn es zu einer Form des verminderten Abfluss von venösen Blut aus den Schwellkörpern kommt. Der Low-Flow-Typ des Priapismus ist sehr gefährlich, da es zu einer Unterversorgung der Muskeln kommen kann. Ist die Sauerstoffzufuhr zu lange unterbrochen oder vermindert, kann dies zu hypoxischen Schäden (beispielsweise fibröse Veränderungen) führen. Deswegen muss der Low-Flow-Priapismus sofort behandelt werden. Etwa 30-50% der Betroffenen erleiden nach einem Low-Flow-Priapismus eine erektile Dysfunktion. Je eher die Behandlung beginnt, desto größer sind die Chancen auf eine vollständige Genesung.
Rezidivierender Priapismus
Eine Unterform des Low-Flow-Priapismus ist der rezidivierende Priapismus. Dabei handelt es sich um ein wiederholtes, flüchtiges Auftreten (mehrmals am Tag). Diese Form tritt gehäuft bei Patienten mit hämatologischen Erkrankungen (beispielsweise Sichelzellenanämie) auf. Diese Form wird wie der Low-Flow-Typ behandelt. Teilweise wird eine Selbstinjektion eingesetzt.
High-Flow-Typ oder nichtischämischer Priapismus
Der High-Flow-Typ des Priapismus ist eher selten und tritt nur in etwa 5% der Fälle auf. Er kommt durch einen Einstrom arteriellen Bluts zustande, welche die Kapazitäten der Venen übersteigt. Der High-Flow-Typ ist meist nicht besonders schmerzhaft und es wird nicht die volle Härte der Erektion erreicht. Er ist weniger gefährlich als der Low-Flow-Typ des Priapismus.
Therapie
Priapismus ist ein urologischer Notfall und muss sofort behandelt werden, um Folgeschäden zu vermeiden. Der häufigste erste Ansatz ist das Abziehen des Blutes aus den Schwellkörpern. Es ist dabei zu beachten, dass ein unbehandelte High-Flow-Typ mit der Dauer in einen Low-Flow-Typ übergehen kann und somit eine erektile Dysfunktion verursachen kann.
Allgemeine Maßnahmen
Am Anfang steht die Anamnese und verschiedene Untersuchungen, um den Zustand des Patienten festzustellen. Zudem wird meist ein venöser Zugang gelegt und der Patient gegebenenfalls sediert. Die Kreislaufparameter sollten kontinuierlich überwacht werden. Die Kühlung des Penis wird als abschwellende Maßnahme genutzt.
Maßnahmen bei High-Flow-Priapismus
Es erfolgt häufig nur eine Beobachtung, da es in etwa zwei Drittel der Fälle zu spontanen Rückbildungen des Priapismus kommt. Es wird aber nur selten eingegriffen. Dieser Typ kommt am häufigsten nach einem stumpfen direkten Trauma (Straddel-Trauma) vor und ist bereits im Kindesalter möglich.
Maßnahmen bei Low-Flow-Priapismus
Da es sich bei dem Low-Flow-Typ um einen Notfall handelt, erfolgt die Gabe von Medikamenten, wobei es sich meist um α-adrenergene Substanzen handelt. Bei besonderen Formen werden zudem Antiandrogene und LHRH-Antagonisten gegeben.
Wenn die medikamentöse Behandlung keine Besserung verspricht, werden operative Maßnahmen eingesetzt.
Chirurgische Intervention
Bei einer chirurgischen Maßnahme werden bestimmte Blutgefäße miteinander verbunden (Shunt-Methode). Die Erfolgsrate des Shunt-Verfahrens ist ziemlich hoch: Sie liegt bei etwa 75%.
Aussicht der Behandlung
Der High-Flow-Typ ist sehr gut behandelbar und es bleiben höchstwahrscheinlich keine bleibenden Schäden.
In 50% der Fälle des Low-Flow-Types bleibt die Fähigkeit zur Erektion erhalten. In den anderen Fällen kommt es zur erektilen Dysfunktion durch eine bereits eingetretene Fibrose der Schwellkörper oder durch eine Verletzung beim Shunt-Verfahren.
Was tun bei Priapismus?
Priapismus ist ein urologischer Notfall und muss zwingend von einem Arzt behandelt werden. Je eher die Behandlung beginnt, desto größer sind die Chancen auf eine vollständige Genesung. Das Kühlen des Penis kann zwar eine vorübergehende Linderung der Schwellung herbeiführen, allerdings ist ein Arztbesuch dennoch nötig. Dieser sollte so schnell wie möglich erfolgen, daher sollte im Notfall ein Krankenwagen gerufen werden um dauerhaften Schäden vorzubeugen.
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